Klimawandel: Auf der Suche nach dem resilienten Wald

Messgerät auf einem Klimaturm – Foto: Anne Mareike Keßler

Die Extremwetterereignisse der vergangenen Jahre haben unsere Wälder geschädigt. Ob Borkenkäfer, Stürme oder Dürren – deutsche Wälder sind durch den Klimawandel deutlich in Mitleidenschaft gezogen worden. Wie wir diese am besten anpassen können, damit sie resilienter werden, dazu forscht das Klima.Zukunftslabor „FoResLab“. Hier erklärt der Sprecher des Forschungsprojektes, Prof. Dr. Alexander Knohl von der Universität Göttingen, mit welchen Methoden man herausfinden kann, welche Wälder besser mit Klimastress umgehen können, um von ihnen zu lernen.

Herr Knohl, Sie forschen dazu, wie man Wälder resilienter gegenüber Klimaveränderungen machen kann – wieso ist das notwendig?

Der Hintergrund der Frage ist, dass wir in den vergangenen Jahren, namentlich 2018, 2019, 2020 und 2022, eine Reihe von klimatischen Extremereignissen erlebt haben, deren Auswirkungen wir gerade beispielsweise im Harz sehen: Große Fichtenwaldflächen sterben ab. Aber auch Buchenwälder zeigen Auswirkungen der klimatischen Extrembedingungen. Dabei galten Buchen bisher als eher klimazukunftsfähige Baumart.

2018 war bis dahin das wärmste und eines der trockensten Jahre seit Beginn der Klimaaufzeichnungen. Diese Kombination von Trockenheit und Wärme bedeutet Stress für die Pflanzen. Durch den Mangel an Wasser aufgrund der niedrigen Niederschlagsmengen und den hohen Temperaturen im Sommer wurde früh das im Boden gespeicherte Wasser verbraucht. In der Folge setzt im Sommer Trockenstress ein. Wenn wir die langjährigen Messungen von CO2-Aufnahme und Wasserverbrauch der Bäume betrachten und hier den Vergleich zum Jahr 2003, dem anderen „großen“ Trockenjahr ziehen, erkennen wir, dass die Bäume schon im Juni und dann durchgängig bis September Trockenstressreaktionen gezeigt haben.

Physiologisch beginnen die Pflanzen, wenn sie zu wenig Wasser haben, zuerst die Spaltöffnungen in den Blättern zu schließen. Das ist eine Strategie, um Wasser zu sparen. Allerdings führt dies auch dazu, dass weniger CO2 aufgenommen wird, da durch die Spaltöffnungen sowohl Wasser als auch CO2 ausgetauscht werden. Wenn kein CO2 mehr aufgenommen wird, können keine Assimilate aufgebaut werden, das sind energiereiche Stoffwechselprodukte, die bei der Fotosynthese entstehen. So findet dann weniger Wachstum statt und es werden weniger Reserven aufgebaut. Besonders Fichten waren durch den Wasserstress nicht in der Lage, sich vor Insekten wie den Borkenkäfer zu schützen. Das hat zu der massenhaften Ausbreitung des Borkenkäfers geführt, sodass großflächig Fichten im Harz abgestorben sind.

In unserem Zukunftslabor „FoResLab“ wollen wir verstehen, welche Baumfunktionen sich verändert haben. Ein großer Fokus wird dabei auf dem Wasser- und dem Kohlenstoff-Haushalt der Bäume liegen. Dabei ist besonders interessant, dass Wälder einerseits vom Klimawandel betroffen und andererseits ein Instrument sind, um den Klimawandel abzuschwächen, weil sie zum Beispiel CO2 binden.

In dem Projekt arbeiten Sie mit drei unterschiedlichen Plattformen. Können Sie diese erklären?

In dem Projekt bauen wir drei Plattformen auf: eine experimentelle für Messungen an Waldstandorten, eine digitale und eine für den Austausch mit gesellschaftlich Teilhabenden. 

Für die Messungen planen wir, sechs Standorte einzurichten, an denen wir Monitoringsysteme aufbauen oder weiterentwickeln. Ein Teil der Standorte ist dabei schon in langfristige Monitoring-Aktivitäten der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt eingebunden. Außerdem nutzen wir Standorte, an denen meine Arbeitsgruppe als Teil von globalen Netzwerken Messungen durchführt.

Eine Messstation: Der Klimaturm im Göttinger Stadtwald. Hier erklärt Dr. Anne Klosterhalfen die Technik für atmosphärische Messungen – Foto: Anne Mareike Keßler

Die Daten werden dann mit Fernerkundungs- und Satellitendaten zusammengeführt. Bei der Fernerkundung erheben wir Daten durch das Überfliegen des Waldes mit einem Flugzeug oder einer Drohne, bei dem ein Laserscanner eingesetzt wird. Mithilfe dieser Daten versuchen wir, die Resilienz der Wälder gegenüber Klimaextremen zu bewerten. Darüber hinaus verwenden wir Satellitendaten, um Parameter abzuleiten, die uns Informationen über den Vegetationsstatus, über den Wasserverbrauch und über die Oberflächentemperatur geben.

Anhand der Daten lässt sich interpretieren, wie resilient ein Wald ist. Also zum Beispiel wie gut ein Wald mit Trockenheit umgehen und trotzdem weiter physiologisch funktionieren und nach der Trockenheit wieder in sein ursprüngliches Verhalten zurückkehren kann. Ein Wald, der es schafft, sich in Trockenphasen herunter zu regulieren, aber danach wieder zum Normalzustand zurückzukehren, zeigt Zeichen von Resilienz.  

Zudem planen wir einen digitalen Zwilling zu entwickeln. Das ist ein Simulationsmodell, das einen realen Wald abbildet. Wir wollen damit die Messdaten von unseren Untersuchungsflächen zusammenführen. Mit diesem digitalen Zwilling können wir dann Szenarien ausprobieren. Was würde beispielsweise geschehen, wenn wir die Waldstruktur ändern? Was würde passieren, wenn wir einzelne Baumarten stärker fördern und andere zurücksetzen? Was würde in einem Klima passieren, wo wir das Zwei-Grad-Ziel einhalten, also weniger Extremereignisse auftreten, im Vergleich zu einem Worst-Case-Szenario?

Außerdem bauen wir eine Gesellschaftsplattform auf. Dort arbeiten wir mit unseren Praxispartnern wie den Niedersächsischen Landesforsten, den Nationalparks Harz und Hainich und der Stiftung Zukunft Wald zusammen. Es geht hier darum, die Perspektive unterschiedlicher waldbezogener Akteure einzubinden. Darüber hinaus werden wir eine Reihe von Aktivitäten zur Öffentlichkeitsarbeit angehen. Mit dem Forum Wissen entwickeln wir ein digitales Lernmodul, mit dem Schüler*innen in die Rolle verschiedener Akteure treten können. Gemeinsam mit der Niedersächsischen Akademie für Wissenschaften zu Göttingen werden wir in öffentlichen Veranstaltungen das Thema Wald und Gesellschaft aus verschiedenen Perspektiven diskutieren.

Gibt es schon Wälder, die sich als resilienter oder weniger resilient herausgestellt haben?

Das ist Teil der aktuellen Forschung von verschiedenen Arbeitsgruppen weltweit. Wir konnten bereits sehen, dass reine Fichtenwälder, also Monokulturen, große Schwierigkeiten bei Trockenstress haben. Es ist daher angebracht, eher in Richtung Mischwälder zu forschen. Dabei spielt neben der Diversität der Baumarten selbst, also aus wie vielen verschiedenen Baumarten der Wald besteht, wahrscheinlich aber auch die Diversität der Waldstrukturen eine große Rolle. Um das zu untersuchen, haben wir uns Waldflächen als Messstandort ausgesucht, die sowohl eine große strukturelle Vielfalt besitzen als auch in der Zusammensetzung der Baumarten divers sind.

Die Hypothese, warum solche Wälder erfolgreicher sind, ist, dass durch die Diversität der Arten und Strukturen unterschiedliche ökologische Nischen besser genutzt werden können. Es stehen dann zum Beispiel Bäume, die tiefer wurzeln, neben Bäumen, die flacher wurzeln. Sie sind also komplementär und können von den vorhandenen Ressourcen in Stresssituationen besser Gebrauch machen.

Strukturvielfalt meint in diesem Fall Diversität hinsichtlich äußerer Merkmale wie Pflanzenalter, Wachstumshöhe, Verteilung der Zweige im Kronenraum oder Wurzeltiefe. In einem Wald mit verschieden alten Bäumen sind beispielsweise auch die Baumkronen in verschiedenen Höhen. Tritt dann ein Stressereignis auf, sind einige dieser Bäume stärker der Sonne ausgesetzt und andere weniger, was dazu führt, dass nicht alle Bäume gleich reagieren und somit das Risiko von Schädigungen gestreut wird. Mit dem Projekt können wir die Grundlagen für weitere Forschungsarbeit legen.

Prof. Dr. Alexander Knohl – Foto: Universität Göttingen/Martin Liebetruth
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