Aus Göttingen ins Weltall

Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen. Foto: MPS

Vor zehn Jahren feierte das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung die Einweihung seines Neubaus – und damit den Standortwechsel nach Göttingen.

Um 19.18 Uhr am Abend des 20. Januar 2014 schlug im Kontrollzentrum der Europäischen Weltraumagentur ESA in Darmstadt die angespannte Stille in Jubel um. Rosetta, die Raumsonde mit Kurs auf den Kometen Tschurjumov-Gerasimenko, war aus ihrem 30-monatigen Tiefschlaf aufgewacht und hatte ein erstes Lebenszeichen zur Erde geschickt. Das Signal markierte den Startschuss der entscheidenden Phase einer einzigartigen Weltraumexpedition. Während sich in ganz Europa Rosetta-Forscher*innen auf die nächsten Meilensteine der Mission – Anflugphase auf den Kometen, Ankunft und Landung – vorbereiteten, beschäftigte die beteiligten Teams am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) zusätzlich ein deutlich irdischeres Abenteuer: Der Umzug des Instituts in den Neubau am Rande des Nordcampus in Göttingen stand bevor – und sollte unbedingt zur heißen Phase der Rosetta-Mission abgeschlossen sein.

Der Standortwechsel des Instituts vom idyllisch zwischen Rapsfeldern und Weiden gelegenen, etwa 30 Autominuten von Göttingen entfernten Lindau an den Rand des Nordcampus der Universität Göttingen war bereits 2010 beschlossen worden; ein Jahr später begannen die Arbeiten am Neubau. Unweit der Fakultäten für Chemie und Physik, des Experimentallabors XLAB und des Deutschen Primatenzentrums entstand in den folgenden Jahren ein markanter Neubau mit großzügiger Eingangshalle, Büro- und Laborgebäuden, Werkstätten, Kita und Gästewohnungen. Anfang 2014 bezogen nach und nach technische Anlagen, Versuchsaufbauten und im Februar schließlich die Mitarbeiter*innen ihr neues Reich – rechtzeitig, damit die ersten Bilder des Rosetta-Kometen, die seine bizarre Form erkennen ließen, in Göttingen eingingen. Und vor genau 10 Jahren, am 21. Mai 2014, wurde gefeiert – mit etwa 350 Gästen und hochrangigen Vertretern aus Politik und Wissenschaft.

Seitdem bietet der neue Standort den Sonnensystemforscher*innen optimale Bedingungen. Die kurzen Wege innerhalb Göttingens vereinfachen die Zusammenarbeit mit anderen Partnern des Göttinger Campus; das Institut für Astrophysik und Geophysik der Universität ist direkter Nachbar. Zudem trägt der moderne Neubau den veränderten Bedürfnissen des MPS Rechnung. Während in den frühen Jahren des Instituts (zunächst unter den Namen Max-Planck-Institut für Ionosphärenforschung und Max-Planck-Institut für Physik der Stratosphäre, später als Max-Planck-Institut für Aeronomie) vornehmlich die Gashülle und die direkte Umgebung unseres eigenen Planeten Forschungsgegenstand war, verlagerte sich das Augenmerk der Forschenden zunehmend weiter weg von der Erde. Zu den ersten Weltraummissionen, für die das Institut weltraumtaugliche Messinstrumente entwickelte und baute, zählen die deutsch-amerikanischen Zwillingssonden Helios I und II, die sich Mitte der 70er Jahre näher an die Sonne heranwagten als jede Raumsonde vor ihnen, und die ESA-Sonde Giotto, die 1986 im Vorbeiflug Aufnahmen des Halleyschen Kometen machte.

Für Arbeiten dieser Art umfasst das Gebäude in Göttingen zahlreiche Reinräume und Testanlagen. In den vergangenen zehn Jahren entstand dort unter anderem Hardware, die im roten Sand des Mars gelandet ist, aktuell auf stark elliptischen Bahnen nah an die Sonne heranfliegt und auf dem Weg zu Merkur und Jupiter durchs All reist. Die neun Meter hohe Ballonhalle, deren großes Tor auf der Eingangsseite des Instituts zu sehen ist, war 2002 und in diesem Jahr Schauplatz der Vorbereitungen für den Stratosphärenflug des ballongetragenen Sonnenobservatoriums Sunrise III. Zudem entsteht am MPS das Datenzentrum der künftigen ESA-Exoplaneten-Mission PLATO und seit kurzem bietet das Gebäude hochspezialisierte Labore, in denen Forschende extraterrestrische Gesteinsproben wie etwa Meteoriten untersuchen.

Und Rosetta? Die Mission ist seit acht Jahren abgeschlossen und hat unser Wissen über Kometen revolutioniert, auch dank der Forschungsergebnisse aus Göttingen. Das Aufsetzen der Rosetta-Landeeinheit auf dem Kometen am 11. November 2014 war übrigens das erste große wissenschaftliche Ereignis, das das Institut zusammen mit der Göttinger Öffentlichkeit am neuen Standort feierte. Es folgten Mars-Landungen, Raketenstarts – und in den kommenden Jahren bestimmt noch viele weitere unvergessliche Erlebnisse.

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