Die Vorlesungszeit beginnt bald und viele neue Studierende erkunden wieder die Universität und die Stadt. Die Orientierungsphase heißt im Alltag einfach O-Phase. Hier laden wir buchstäblich zu einem Streifzug durch Göttingens Straßen ein.
O wie Obere Karspüle
In der Innenstadt liegt die Obere Karspüle, deren Geschichte so gedeutet wird: Vor langer Zeit führte der einzige Verbindungsweg außerhalb der alten Stadtmauern, dem heutigen Wall, vom Weender- zum damaligen Albanitor durch wasserreiches sumpfiges Gebiet mit Kressebewuchs – dem Karspool, also Kressepfuhl. Folgt man heute der Straße in entgegengesetzter Richtung, macht die Straße einen Knick. Hier befindet sich der Eingang zum Alten Botanischen Garten unserer Universität.
P wie Platz der Göttinger Sieben
Die SUB, das Theologicum, das Zentrale Hörsaalgebäude und viele weitere Gebäude auf dem Zentralcampus liegen rund um den Platz der Göttinger Sieben. Diese Namensgebung erinnert an den Protest von sieben Göttinger Professoren gegen die Aufhebung der damals vergleichsweise liberalen Verfassung im Königreich Hannover 1837. In der Folge wurden die Gelehrten entlassen. Im Jahr 2011 schenkte Literaturnobelpreisträger Günter Grass der Stadt und der Universität ein Denkmal für die Göttinger Sieben. Die knapp drei Meter hohe Stahlskulptur steht seitdem auf den Stufen, die zum Zentralen Hörsaalgebäude hinaufführen.
H wie Humboldtallee
Auch an der Humboldtallee liegen einige Universitätsgebäude. Benannt ist die Straße nach dem Naturforscher und Universalgelehrten Alexander von Humboldt, der von 1789 bis 1790 in Göttingen studierte. Hier hörte er Vorlesungen unter anderem bei dem Anatomen und Zoologen Johann Friedrich Blumenbach, dem Physiker Georg Christoph Lichtenberg und dem Altphilologen Christian-Gottlob Heyne.
A wie Albrecht-von-Haller-Straße
Am Ende der Goßlerstraße schließt sich die Straße an, die nach dem Mediziner, Naturforscher und Dichter Albrecht von Haller benannt ist. Der Gelehrte war maßgeblich an der Entwicklung der jungen Georgia Augusta beteiligt. Von 1736 bis 1753 wirkte Haller als Professor für Anatomie, Chirurgie und Botanik an der Universität Göttingen und baute hier den Botanischen Garten auf.
Wer von der Albrecht-von-Haller-Straße aus mit dem Fahrrad über den Nordcampus radelt, stößt am anderen Ende auf ein weiteres „A“. An der Straße Am Faßberg liegen zum Beispiel die Max-Planck-Institute für Multidisziplinäre Naturwissenschaften und für Dynamik und Selbstorganisation.
S wie Sternstraße
In der Nähe des Neuen Rathauses liegt die Sternstraße. Die Benennung hat nichts mit Astronomie zu tun. Vielmehr erinnert die Straße an den Mathematiker Moritz Abraham Stern. Dieser studierte ab 1827 in Göttingen Mathematik bei Carl Friedrich Gauß und Bernhard Friedrich Thibaut und wurde hier im Jahr 1829 promoviert. Nach seiner Habilitation lehrte Stern als Privatdozent; Juden waren zu der Zeit vom Staatsdienst ausgeschlossen. Erst im Jahr 1848 wurde Stern außerordentlicher Professor für Mathematik in Göttingen. Eine ordentliche Professur erhielt er schließlich 1857 – als erster jüdischer Ordinarius an einer deutschen Universität. 1884 beendete er seine Dienstzeit und verließ Göttingen.
E wie Ewaldstraße
Ins Ostviertel führt uns der letzte Buchstabe der O-PHASE. Die Ewaldstraße ist nach dem Orientalisten Georg Heinrich August Ewald benannt – der einer der Göttinger Sieben ist. Ewald studierte Theologie und Orientalistik in Göttingen und wurde hier promoviert. Seit 1827 in Göttingen als Professor für orientalische Sprachen tätig, wird er nach seinem Protest und der folgenden Entlassung aus dem Universitätsdienst im Jahr 1838 an die Universität Tübingen berufen. Zehn Jahre später kehrt er nach Göttingen zurück, das er 1867 erneut verlassen musste. Ewald gilt mit seinen Arbeiten über die hebräische Sprache, die Exegese des Alten Testaments und die Geschichte des israelitischen Volkes als einer der bedeutendsten Orientalisten des 19. Jahrhunderts.