Neue Blickwinkel und ein respektvoller Umgang

Foto: Klein und Neumann, Iserlohn

Umwelt- und Klimaschutz, Migration, Grundrechte und Gesetzgebung: In diesen Bereichen forscht Prof. Dr. Angela Schwerdtfeger an unserer Universität. Seit März 2020 ist sie Professorin für Öffentliches Recht, insbesondere Verwaltungsrecht in Göttingen. Wir haben nachgefragt, was sie bewegt.

Frau Schwerdtfeger, als Rechtswissenschaftlerin befassen Sie sich mit aktuellen gesellschaftlichen Fragen. Was genau erforschen Sie?

Der Fokus meiner Forschung liegt aktuell vor allem auf dem Umwelt- und Klimaschutzrecht. Nach dem bahnbrechenden Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Frühjahr 2021 stellen sich zahlreiche Folgefragen zur rechtlichen Umsetzung der Klimaschutzziele. Welche Gestaltungsmöglichkeiten hat der Gesetzgeber, und wo stößt er an Grenzen? Welche Rolle kann und muss der Klimaschutz als öffentlicher Belang in Entscheidungen der Verwaltung spielen, und wie ist er mit kollidierenden privaten und öffentlichen Belangen in einen Ausgleich zu bringen? Welche Rolle können die Gerichte vor dem Hintergrund des Gewaltenteilungsprinzips beim Klimaschutz spielen?

Das Umwelt- und Klimaschutzrecht erstreckt sich über die verschiedenen Rechtsebenen, vom internationalen und europäischen Recht über das Bundes- und Landesrecht bis hin zur kommunalen Ebene, was es für mich besonders interessant macht. Außerdem verbindet es viele meiner weiteren Forschungsgebiete, soweit es beispielsweise um die Gesetzgebung zur Bewältigung des Klimawandels, um Grundrechtseinschränkungen durch Klimawandelfolgen einerseits und Klimaschutzmaßnahmen andererseits oder auch um Fragen klimawandelbedingter Migration geht.

In dem Projekt „Politik und Recht erleben, Zukunft mitgestalten“, das Sie gemeinsam mit Prof. Dr. Simon Fink vom Institut für Politikwissenschaft leiten, setzen Sie auf die Beteiligung von Bürger*innen mit ihren Ideen und Visionen zur Klimawende. In der Lokalpolitik scheint eine solche Beteiligung inzwischen etabliert, in der Wissenschaft eher seltener. Was erhoffen Sie sich von diesem Ansatz für Ihre wissenschaftliche Perspektive?

Für meine Forschung sind Projekte wie dieses besonders spannend, weil sie, wie auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit, meine eigene wissenschaftliche Perspektive weiten, um neue Blickwinkel ergänzen und sie teilweise auch herausfordern. Die Bürger*innen bringen ganz neue Ideen und Fragen in unsere Diskussionen zur Gestaltung der Klimawende ein. Juristische Selbstverständlichkeiten werden hinterfragt, zum Beispiel die Grenzen gerichtlicher Kontrolle und damit die Funktionenteilung zwischen den Staatsgewalten. Das lädt zum einen dazu ein, sie zu überdenken. Zum anderen zeigt es auf, wo Unverständnis für rechtliche Vorgaben oder Prozesse herrührt, und liefert damit Ansatzpunkte für Reformansätze zur Steigerung der Akzeptanz für das Recht in der Bevölkerung.

Bei diesem Projekt kommt hinzu, dass es thematisch gerade um Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Klimawende geht. Da hat es sich aus unserer Sicht besonders angeboten, die Öffentlichkeit selbst in die Erarbeitung von Lösungsansätzen einzubinden. Bürger*innenbeteiligung ist also Gegenstand und Methode unseres Projekts zugleich.

An der Juristischen Fakultät sind Frauen unterrepräsentiert, Sie sind eine von insgesamt fünf Professorinnen. Was können wir tun, um Frauen für eine Wissenschaftskarriere in diesem Fachgebiet zu begeistern, zu gewinnen und zu fördern?

Für mich persönlich ist der zwischenmenschliche Faktor von besonderer Bedeutung. Seit Beginn meiner Habilitationsphase musste ich mir mehrfach sowohl von Kollegen als auch von Professoren Sprüche anhören, die meine Leistungen – auch ohne Kenntnis meiner Arbeit – infrage stellten und Erfolge auf mein Frausein reduzierten. Die unterschiedliche Behandlung im Vergleich zu männlichen Kollegen hat bis heute nicht vollständig aufgehört. Auch wenn solche Erfahrungen abhärten, schaffen sie nicht gerade ein einladendes Umfeld. Erstrebenswert sind daher aus meiner Sicht zu allererst ein unterschiedsloser, respektvoller Umgang miteinander und eine Bewertung primär nach Leistung.

Als besonders gewinnbringend für meinen Werdegang habe ich Programme zur Förderung von Nachwuchswissenschaftlerinnen empfunden, insbesondere das „Fast Track“-Programm der Robert Bosch Stiftung. Vor allem von der Vernetzung und dem Austausch mit anderen Wissenschaftlerinnen habe ich in der Habilitationsphase profitiert. Die Aufnahme in das Professorinnenprogramm war wiederum ein wesentlicher Grund für mich, den Ruf nach Göttingen anzunehmen.

Darüber hinaus ist natürlich der Ausbau von Strukturen wünschenswert, welche die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern – und zwar für alle: Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen. Für meinen Mann und mich ist es etwa ein großer Vorteil, dass auch er an der Universität Göttingen als Gastwissenschaftler sehr gute Arbeitsbedingungen hat.


Die Universität Göttingen war mit ihrem Gleichstellungszukunftskonzept auch in der dritten Runde des Professorinnenprogramms von Bund und Ländern erfolgreich. Die Fördermittel fließen in Professuren, die mit exzellenten Wissenschaftlerinnen besetzt werden. Die so freigewordenen Eigenmittel investiert die Universität im Gegenzug in die Gleichstellungsarbeit.

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