Der Sonderpädagoge und Medizinsoziologe Dr. Sascha Roder verbindet seine wissenschaftliche Tätigkeit mit gesellschaftlich relevanten Themen. Seit September 2021 gehört er zum „Defeat Corona“-Team am Institut für Allgemeinmedizin der Universitätsmedizin Göttingen. In dem EU-geförderten Projektverbund werden die Langzeitfolgen einer Corona-Erkrankung empirisch erforscht. In vielen Jahren zuvor hat sich Roder mit einer anderen Frage beschäftigt: Wie können Patient*innen, die ein Hörgerät oder eine Hörprothese bekommen, bei ihren anschließenden Hörtrainings sinnvoll unterstützt werden?
Stark beeinträchtigte oder taube Menschen können von der technologischen Entwicklung bei Hörgeräten und Cochlea-Implantat profitieren. Letzteres ist eine Neuroprothese, mit der Nervenzellen in der Hörschnecke elektrisch stimuliert werden. Allerdings ist der „Sound“ ein anderer als erinnert, Tonhöhen müssen neu erkannt, interpretiert und mit Gehirnerinnerungen verknüpft werden. Für die Betroffenen heißt dies für eine lange und mühsame Zeit: üben, üben, üben.
Während seiner Tätigkeit in der Beratung und dem Hörtraining von Cochlea-Implantat-Patient*innen entwickelte Roder die Idee, dafür musikalische Gruppenerlebnisse zu schaffen. Neben Trainings-CDs entwickelte er neue Angebote wie musikalische Workshops und Chorprojekte. In seinem Buch gibt Roder Einblick in die Konzeption solcher Angebote und die Erfahrungen aller Beteiligter – Teilnehmende und Vertreter*innen von Selbsthilfegruppen ebenso wie Musiker*innen und Audiolog*innen.
Drei der präsentierten Erkenntnisse sind: Melodie und Rhythmus von Musik helfen langfristig, Sprache besser zu verstehen. Die Auseinandersetzung mit verschiedenen Instrumenten fördert die Orientierung im Raum. Das Chorsingen reaktiviert frühere Erfahrungen und stärkt das Selbstvertrauen.
Dennoch bleibt das Hören für manche Patient*innen eine Herausforderung, zum Beispiel das Sprachverstehen bei Störgeräuschen. Am Ende seines Buches präsentiert Roder die Forschung am Institut für Auditorische Neurowissenschaften der Universitätsmedizin Göttingen. Hier forscht Prof. Dr. Tobias Moser mit seinem Team an der Stimulation der Hörschnecke mit Licht. Das langfristige Potenzial von Optogenetik im Innenohr bewertet Roder so: „Es wird das Tor zu einer deutlich feineren Stimulation der Strukturen geöffnet, was den ertaubten Menschen ein bisher nicht vorstellbares, deutlich filigraneres Niveau des Hörverstehens ermöglichen könnte“. (Seite 117)
Sascha Roder: Der Klang in meinem Kopf. Mit kreativen Musikideen zu einem besseren Hörverstehen, Logos Verlag 2022, 145 Seiten, ISBN 978-3-8325-5543-6, 45 Euro