Unter dem Motto „Achtung! Kunst“ findet am Sonntag, 10. Oktober 2021, der vierte Europäische Tag der Restaurierung statt. Auch in Südniedersachsen ermöglichen an diesem Tag mehrere Einrichtungen einen Blick hinter die Kulissen, so auch die Universität Göttingen und das Museum Friedland. Dabei wird deutlich, dass Kunst sehr viel mehr ist als ein wertvolles, ästhetisch ansprechendes Objekt. Vielmehr liegt es im Auge des Betrachters, was als Kunst angesehen wird: Kunst ist der Prozess sowie das Produkt kreativen Schaffens. Sie kann in Alltagsgegenständen ebenso sichtbar werden wie in mündlich überlieferten Geschichten. Für Restaurator*innen spielt dabei der materielle Wert eines Kunstwerks keine Rolle. Sie üben ihre Kunst aus, ganz gleich, ob sie feines Porzellan oder eisenzeitliche Keramik, eine mittelalterliche Handschrift oder ein gedrucktes Buch bearbeiten.
Am Tag der Restaurierung ist im Archäologischen Institut der Universität zu sehen, wie mit modernster Technik in Kombination mit echter Handarbeit eine originalgetreue Replik einer Büste entsteht. Die durch einen Brand schwer beschädigte Büste des Philosophen Sokrates ist so zerbrechlich, dass sie nicht in Ausstellungen präsentiert werden kann. Jorun Ruppel, Restauratorin in der Sammlung der Gipsabgüsse antiker Skulpturen, fertigt deswegen eine originalgetreue Kopie an. Wie das möglich ist, ohne dabei das Original zu berühren, erläutert sie in ihrem Vortrag um 11.15 Uhr.
Anhand der kommenden Ausstellung „Aller Künste Wissenschaft…“, die an die großzügige Stiftung des Frankfurter Patriziers Johann Friedrich Armand von Uffenbach (1687–1769) erinnert, zeigen Papierrestaurator*innen der SUB Göttingen, wie Bücher für eine Ausstellung vorbereitet werden. Die Restaurator*innen erläutern, welche konservatorischen Arbeiten der Ausstellung vorausgehen und welche sie über die gesamte Dauer begleiten werden, um die Exponate bestmöglich zu schützen.
Dass sich Kunst auch in Alltagsgegenständen spiegelt, wird am II. Physikalischen Institut deutlich. Hier können Interessierte von 11 bis 16 Uhr ans Fenster der Beschleunigerhalle im Garten der Physik kommen, um alte Münzen, Porzellan oder Schmuck analysieren zu lassen. Die Objekte werden mit energiereichen Wasserstoffionen bestrahlt, damit die auf diesem Weg erzeugte Röntgenstrahlung Aufschluss über die genaue Zusammensetzung des Gegenstandes geben kann.
Das Museum Friedland schließlich führt einen Oral-History-Tag durch, bei dem Zeitzeug*innen von ihren Erinnerungen im Grenzdurchgangslager und vor allem vom Leben in den sogenannten Nissenhütten berichten. In diesen Wellblechhütten, benannt nach ihrem Erfinder, dem kanadischen Ingenieur und Offizier Peter Norman Nissen, fanden Flüchtlinge und Schutzsuchende nach Ende des Zweiten Weltkriegs eine erste Herberge. Ewa Kruppa, Restauratorin am Museum Friedland, weiß wie wichtig diese Erinnerungen an die Anfänge des Lagers für die Neugestaltung der Notunterkünfte als Erinnerungsort sind.
Besucher*innen werden gebeten, sich vorab für die jeweiligen Veranstaltungen anzumelden. Weitere Informationen sind unter www.uni-goettingen.de/tagderrestaurierung und www.uni-goettingen.de/elementanalyse zu finden.