Wissenschaft passiert in erster Linie im Kopf, so die gängige Meinung. Körper und Gefühl bleiben außen vor. Genau dieser Spaltung will Dr. Jochen Schulz, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Numerische und Angewandte Mathematik, entgegenwirken. In dem Pilotprojekt „Meditation in der Mathematik“ sammelte der ausgebildete Meditationslehrer gute Erfahrung mit Angeboten für Studierende, Lehrende und Beschäftigte der Fakultät für Mathematik und Informatik.
„Regelmäßige Meditation stärkt die Eigenwahrnehmung von Körper, Geist und Gefühlen“, erklärt Schulz. „Dadurch wirkt sie präventiv, weil sie einen frühzeitig erkennen lässt, wenn etwas schief läuft im Leben.“ Wer regelmäßig meditiert, könne leichter erkennen, ob er Ruhe oder Bewegung, Anregung oder Pause benötigt, ist sich Schulz sicher. Gerade für den stressigen Uni-Alltag könne das eine gute Hilfe sein.
Das Pilotprojekt fand im Wintersemester 2020/2021 statt und wurde vom Betrieblichen Gesundheitsmanagement gefördert. Es bestand aus verschiedenen Angeboten. So traf sich Schulz mit Mitarbeiter*innen der Mathematik zweimal die Woche zu einer kurzen Meditation und anschließendem Austausch. „Die Beteiligung war zwar nur vorsichtig, aber wer kam, war sehr engagiert“, so Schulz. Angeregt durch die Meditation führten die Teilnehmenden anschließend schnell tiefergehende Gespräche – „bis zu philosophischen Fragen über den Sinn unseres Tuns“. Das Feedback war durchweg positiv.
Ein weiteres Angebot bestand darin, in Lehrveranstaltungen kleine Achtsamkeitsrituale einzubringen. Zum Beispiel kommt Struktur und Ruhe in eine Vorlesung, wenn sie mit einer zweiminütigen Meditation beginnt und endet. „Sich einfach hinsetzen, alles sacken lassen, das hat schon eine Wirkung, ohne dass es eine Riesen-Meditation braucht“, erklärt Schulz.
Für Studierende veranstaltete er eine gut besuchte Meditationsgruppe, in welcher der Umgang mit Stress und mit der Arbeitslast gerade in Zeiten von Corona im Vordergrund stand. Außerdem hielt er zusammen mit Prof. Dr. Chenchang Zhu vom Mathematischen Institut das Seminar „Math models in the universe and ourselves“, das großen Anklang bei den Studierenden fand. Themen waren unter anderem mathematische Modelle des Universums, Mensch-Sein im Zeitalter von Künstlicher Intelligenz, aber auch Mathematik und psychedelische Experimente.
Schulz selbst praktiziert seit 20 Jahren Meditation und beschäftigt sich mit Philosophien des Fernen Ostens. Gleichzeitig betreut er Praktika und Bachelorarbeiten und unterstützt Forschungsgruppen mit der Berechnung und Simulation von mathematischen Modellen. Mit diesem Hintergrund möchte er eine „Brücke schlagen zwischen Wissenschaft und alltäglicher Selbsterfahrung“. Die gute Resonanz seiner Angebote gibt ihm recht.
Nun hofft Schulz, Meditation langfristig in die Qualifizierungskurse für Lehrende einzubringen und für Studierende ein Curriculum Meditation als Schlüsselkompetenz anzubieten. Auch eine Vernetzung mit anderen Universitäten, in denen zum Beispiel über Meditation geforscht wird, ist geplant.
https://num.math.uni-goettingen.de/~schulz/en/Meditation/index.html