Seit drei Jahren geht ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung der Universität Göttingen der Frage nach, wie sich die sogenannte Dunkle Energie im Laufe der Zeit verändert. Unter Dunkler Energie versteht man eine Energieform mit negativem Druck, die das Universum auseinandertreibt. Ihre Natur ist bislang unbekannt – es könnte sich dabei um die Energie des leeren Raums handeln. Ziel des Hobby Eberly Telescope Dark Energy Experiment (HEDTEX) ist es, die bislang größte Karte des Kosmos zu erstellen. Die dreidimensionale Karte von rund 2,5 Millionen Galaxien soll uns helfen zu verstehen, wie und warum die Ausdehnung des Universums mit der Zeit immer schneller voranschreitet. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Prof. Dr. Wolfram Kollatschny und Prof. Dr. Jens Niemeyer vom Institut für Astrophysik sind beim Instrumentenbau, bei der Datenanalyse und der physikalischen Interpretation der Daten beteiligt.
Woher wissen wir überhaupt, dass es im Universum so etwas wie Dunkle Energie gibt?
Niemeyer: Seit ungefähr 20 Jahren wissen wir, dass sich das Universum nicht nur ausdehnt, sondern dabei seit kurzer Zeit – im Vergleich zu seinem Alter – sogar immer schneller wird. Viele unabhängige Beobachtungen weit entfernter Galaxien und explodierender Sterne haben dieses Ergebnis bestätigt. Der Einsteinschen Relativitätstheorie zufolge weist das darauf hin, dass das Universum von einer Energieform mit negativem Druck, der sogenannten dunklen Energie, ausgefüllt ist. Es ist nicht sicher, worum es sich bei der dunklen Energie handelt, aber ein aussichtsreicher Kandidat ist die Energie des Vakuums, also des „Nichts“ im leeren Raum.
Sie vermessen das Universum mithilfe des Hobby-Eberly-Teleskops in Texas. Wie laufen diese Messungen grundsätzlich ab und wie erstellen Sie daraus eine dreidimensionale Karte?
Kollatschny: Das Hobby-Eberly-Teleskop mit einem Spiegeldurchmesser von zehn Metern gehört zu den größten Teleskopen der Welt. An das Teleskop ist zusätzlich der weltgrößte Spektrograf angekoppelt. Das Licht von 35.000 optischen Fasern wird in diesen Spektrografen eingespeist. Zu jeder dieser Fasern erhalten wir ein optisches Spektrum eines winzig kleinen Teils des Himmels, welcher einem Tausendstel des Monddurchmessers entspricht. Die Galaxien, die pro Faser vermessen werden, befinden sich in Entfernungen von bis zu 13 Milliarden Lichtjahren, die individuelle Belichtungszeit pro Aufname mit dem Faserbündel beträgt sechs Minuten. Über einen Zeitraum von fünf Jahren wird letztlich ein 540 Quadratgrad großes Stück des Nachthimmels Kante an Kante mit dem Faserbündel abgerastert.
Und wenn es diese Karte irgendwann gibt: Wie ziehen Sie Ihre Schlussfolgerungen daraus und was für Erkenntnisse erhoffen Sie sich davon?
Niemeyer: Galaxien sind in bestimmten Abständen häufiger anzutreffen als in anderen. Daraus können wir ihre Entfernung und somit die Zeit, die das Licht für den Weg zu uns gebraucht hat, berechnen. Aus der sogenannten Rotverschiebung der Spektrallinien des Galaxienlichts lässt sich rekonstruieren, wie schnell sich das Universum zu verschiedenen Zeiten ausgedehnt hat, und Einsteins Gleichungen sagen uns dann, woraus es besteht. Besteht die dunkle Energie tatsächlich aus der Energie des Vakuums, sagt dies einen bestimmten Zeitpunkt voraus, an dem die Beschleunigung der Expansion begann. Eine eindeutige Abweichung hiervon würde diese Hypothese widerlegen.