Entmystifizierung des Gender-Pay-Gaps

Foto: Wokandapix auf pixabay

Die Bezahlung von Professor*innen richtet sich nach der W-Besoldung, in der jede einzelne Professur einer von drei Besoldungsstufen zugeordnet ist. Die Dotierung besteht aus einem festen Grundgehalt für jede Stufe und variabel verhandelbaren Leistungsbezügen. Entsprechend bestehen große Unterschiede in der realen Besoldung, die sich unter Anderem auf verschiedene Fächerkulturen und unterschiedliche Leistungen zurückführen lassen. Neben diesen erwünschten Unterschieden beobachtet man allerdings auch ein geschlechterspezifisches Lohngefälle, den sogenannten Gender-Pay-Gap für Professor*innen. Im Projekt „Beiträge zur Reduktion des Gender-Pay-Gaps in der W-Besoldung: Analyse von Verlaufsdaten und Weiterentwicklung des Gleichstellungscontrollings“ untersucht ein interdisziplinäres Team, welche Faktoren zur Entstehung des Gender-Pay-Gaps beitragen und wie der Gap verringert werden kann.

Im Projekt kooperieren Prof. Dr. Thomas Kneib (Statistik) und Prof. Dr. Krisztina Kis-Katos (Internationale Wirtschaftspolitik) aus der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, Anika Werkmeister aus der Personalabteilung sowie Aline Georgi aus der Abteilung Finanzen und Controlling und Dr. Doris Hayn aus der Stabsstelle Chancengleichheit und Diversität. Das Projekt wird noch bis August 2024 aus dem universitären Gleichstellungs-Innovation-Fonds gefördert, der sich aus Mitteln des Professorinnenprogramms speist. Hier einige Ergebnisse:

Die W1-, W2- und W3-Professuren gibt es seit dem Jahr 2005. Sie haben im Rahmen des Projekts die Werdegänge in den Bezügen an unserer Universität im Detail analysiert. Welche geschlechterspezifischen Unterschiede gibt es beim Einstieg in eine Professur, bei den variablen Bezügen und hinsichtlich der Möglichkeiten des Aufstiegs?

Im Rahmen des Projekts haben wir in einer deutschlandweit einzigarten Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Abteilungen der Universität nicht nur Zugriff auf die Besoldungshistorien aller Professor*innen der Universität Göttingen erhalten können, sondern diese auch noch gezielt um relevante Informationen zum Beispiel zur Berufung oder den eingeworbenen Drittmitteln anreichern können. So konnten wir erstmals einen detaillierten Blick auf Determinanten des Gender-Pay-Gap werfen.

Dabei ist es zunächst wichtig, verschiedene Arten von Gehaltsunterschieden zu betrachten: Dass die Besoldung zwischen den Fachkulturen oder basierend auf erzielten Leistungen unterschiedlich ist, ist nicht an sich problematisch und letztlich sogar erwünscht, um Anreize etwa zum Engagement in der Drittmitteleinwerbung oder der akademischen Selbstverwaltung zu schaffen. Problematisch sind dagegen Unterschiede, die sich nicht auf solche Faktoren zurückführen lassen. Auch diese müssen dabei nicht notwendigerweise ein Zeichen von Diskriminierung sein, sondern können beispielsweise auch auf verschiedene Verhaltensweisen der an Gehaltsverhandlungen beteiligten Akteure zurückzuführen sein.

In unserem Projekt haben wir zunächst den „rohen“ Gender-Pay-Gap bestimmt, also Unterschiede in der Besoldung zwischen Männern und Frauen (in unserem Datensatz ordnen sich alle Personen diesen beiden Kategorien zu) unabhängig davon, ob diese etwa durch Leistungen oder Fachkultur erklärbar sind. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Unterschieden, die bei Berufungs- oder Bleibeverhandlungen entstehen, und den sogenannten Leistungsbezügen, die regelmäßig für besondere Leistungen beantragt werden können. Für die gesamte Besoldung ergab sich ein „roher“ Gender-Pay-Gap von fast 13 Prozent, also ein deutlicher Unterschied zwischen Männern und Frauen. Im Hinblick auf die Gewährung von Leistungsbezügen ergaben sich dagegen keine signifikanten Unterschiede.

Welche Gründe für den Gender-Pay-Gap haben Sie gefunden?

Bei den Diskussionen zu unserem Projekt mit verschiedenen Akteur*innen der Universität Göttingen wurden uns immer wieder verschiedene Möglichkeiten zur Erklärung des Gender-Pay-Gap angeboten: zum Beispiel verschiedene Fachkulturen, die aufgrund der ungleichen Geschlechterverteilung in den Fächern unterschiedliche Gehaltstrukturen implizieren, verschiedene Leistungskomponenten oder Unterschiede in der Drittmitteleinwerbung. Unser Ziel im Projekt war es, diese Erklärungen empirisch zu überprüfen und damit zur Entmystifizierung des Gender-Pay-Gap beizutragen.

Tatsächlich konnten wir mit Hilfe verschiedener Erklärungsfaktoren wie Fachstruktur, Beschäftigungshistorie, demographische Variablen (beispielsweise Alter, Nationalität und Familienstand) und erzielte Leistungen einen Teil des „rohen“ Gender-Pay-Gap erklären. Die verbleibende Lücke von 5,2 Prozent ist nach unseren Erkenntnissen im Wesentlichen auf unterschiedlich erfolgreiche Verhandlungen im Rahmen von Berufungen und Bleibegesprächen zurückzuführen, während die Beantragung von Leistungsbezügen weder zu einer Erhöhung, noch zur Verringerung des Gender-Pay-Gap beiträgt.

Leider ist es aus den vorliegenden Daten nicht möglich, genauer zu bestimmen, wo im Verhandlungsprozess die Unterschiede entstehen. Denkbar sind Aspekte wie das Vorliegen verschiedener Alternativangebote, verschiedene Verhandlungsstrategien oder unterschiedliche Ausgestaltungen der Angebote, die neben dem Gehalt ja auch die Ausstattung der Professur betreffen. Dennoch ist festzuhalten, dass zunächst einmal ein deutlicher, strukturell nicht erklärter Gender-Pay-Gap von 5,2 Prozent besteht, den es abzubauen gilt, und dass die Verhandlungssituationen der zentrale Ansatzpunkt hierfür sind.

Was sollte unsere Universität also tun?

Zunächst einmal ist sehr positiv hervorzuheben, dass unser Projekt in allen Gremien der Universität auf sehr großes Interesse und große Unterstützung gestoßen ist und der allgemeine Wille zur Veränderung klar gegeben ist. Hier kann die Universität Göttingen durchaus die Rolle eine Vorreiterin übernehmen.

Hinsichtlich der Relevanz der Verhandlungssituation für die Entstehung des Gender-Pay-Gap gilt es, alle Beteiligten für die Problematik zu sensibilisieren und das eigene Verhalten kritisch zu reflektieren. Transparente Regeln und Verfahren sind nach unseren Erkenntnissen ein weiterer Schlüssel, der für die Verringerung des Gender-Pay-Gap zentral sein wird. Aufbauend auf den für unser Projekt gesammelten Daten und Erkenntnissen wird die Universität Göttingen zudem zukünftig regelmäßig die Veränderungen im Gender-Pay-Gap analysieren, so dass im Rahmen des Gleichstellungscontrolling erkennbar wird, ob wir uns auf dem richtigen Weg befinden. Wir sind davon überzeugt, dass wir mit unserem Projekt einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Entstehung des Gender-Pay-Gap leisten und damit zur Verringerung und letztendlich Abschaffung des Gender-Pay-Gap beitragen können.

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