Über 80.000 taube Personen leben in Deutschland und rund 250.000 Menschen verwenden hier die Deutsche Gebärdensprache. Thomas Finkbeiner und Dr. Nina-Kristin Meister vom Gebärdensprachlabor der Universität Göttingen haben die neue Buchreihe „Deutsche Gebärdensprache und Deaf Communities“ initiiert, in der sie Wissenswertes zur Sprache sowie zur Lebensweise und Kultur tauber Menschen aus der Forschung und eigenem Erleben an die breite Öffentlichkeit vermitteln wollen.
Die Buchreihe ist bimodal-bilingual konzipiert. Das heißt, dass alle Bände in deutscher Schriftsprache und Deutscher Gebärdensprache (DGS) verfasst sind. Die DGS-Versionen der Texte sind über QR-Codes und Internetlinks abrufbar. Die Inhalte werden durch zahlreiche Gebärdenbeispiele in Form von Fotos und Videos ergänzt. „Maßgebend ist in allen Bänden die Perspektive tauber Expert*innen, zudem werden sie entweder von tauben Autor*innen oder von Teams aus tauben und hörenden Autor*innen verfasst“, erklärt Meister.
Gleich der erste Band der Reihe mit 100 Antworten auf ebenso viele Fragen bietet eine Fülle von Einblicken und Wissen, das beim Lesen immer wieder zu Aha-Effekten führt. Zum Beispiel bei der Erklärung, dass der Begriff „gehörlos“ am Hördefizit orientiert ist, während „taub“ soziokulturell geprägt ist und eine gleichberechtigte Lebensweise impliziert. Wir lernen auch, warum „taubstumm“ falsch und diskriminierend ist.
Die erste Hälfte des Buches ist gespickt mit Antworten auf Fragen aus Alltag, Geschichte, Kultur und Bildung. Können taube Personen alles von den Lippen absehen? Was ist das Fingeralphabet? Wie begrüßen und verabschieden sich taube Menschen? Was bedeutet „Deaf Community“? Welche interkulturellen Unterschiede bestehen zwischen tauben und nicht-tauben Menschen? Und wie gelingt Inklusion? Applaus für diese informative Zusammenstellung. Übrigens: Taube Menschen applaudieren nicht durch Klatschen, sondern mit einem Wedeln der Hände mit erhobenen Armen.
In der zweiten Buchhälfte geht es dann um das Gebärden an sich, um Mundbild und Handform, um Wörter, Zahlen und Emotionen und die Grammatik in der DGS sowie um gebärdete Literatur. Zum Schluss gibt es Kommunikationstipps für hörende Personen und wir lernen „Superkräfte“ tauber Personen kennen, zum Beispiel ihr ausgeprägtes peripheres Sehen und ihren sensiblen Tastsinn. Mit seiner inhaltlichen wie visuellen Vielfalt ist das Buch ein Gewinn – insbesondere für alle, die bislang keinen Kontakt zu tauben Personen haben.
Und wer mit einer täglichen Portion Deutsche Gebärdensprache durchs Jahr gehen möchte, für den haben wir einen weiteren Tipp: Den Buske Sprachkalender Deutsche Gebärdensprache 2024 mit Kalenderblättern zu Wortschatz, Grammatik, Gesprächssituationen und Kultur.