Leben im und mit dem Wald

Welche Rolle spielt der Wald im Lebens- und Arbeitsalltag unterschiedlicher Personen? Einen kulturwissenschaftlichen Streifzug durch den Wald im aktuellen Umbruch bietet der vorliegende Band. Er ist das Ergebnis eines zweisemestrigen Masterstudienprojekts am Institut für Kulturanthropologie/Europäische Ethnologie.

Fünf Masterstudierende haben Personen im Wald und an den Waldrand begleitet, haben Interviews geführt, Quellen ausgewertet und verschiedene Waldgebiete in Deutschland aufgesucht. Dabei waren sie Vorstellungen, Wahrnehmungen, Erfahrungen und Nutzungsformen von Wald in Zeiten des Klimawandels auf der Spur.

Jana Wegehöft beschreibt, wie sie für ein halbes Jahr zur „Rüstigen Rentnerin“ wurde. Sie begleitete Göttinger Rentner*innen, die sich im Verein ehrenamtlich für den Schutz, die Erhaltung, die Entwicklung und die aktive Biotoppflege an einem lokalen Waldrand engagieren – zum Schutz gefährdeter Arten und zum Schutz von Ökosystemen, die erst durch die menschliche Bewirtschaftung entstehen konnten. Vor diesem Hintergrund reflektiert Wegehöft, wie ein Waldnaturschutz der Zukunft aussehen könnte und warum es dafür Bürger*innenbeteiligung braucht.

Mit der wichtigen Rolle des Borkenkäfers für den Naturschutz im Nationalpark Harz befasst sich Thea Gatzke. Im Harz gibt es sogenannte Entwicklungszonen, in denen der Mensch aktiv ins Waldsystem eingreift, damit sich nach jahrhundertelanger Fichten-Monokultur wieder ein stabiles Waldökosystem aufbauen kann. Solche dann sich selbst überlassenen Gebiete, Dynamikzonen genannt, sind inzwischen vielerorts im Nationalpark Harz zu finden – denn der Borkenkäfer hat diese gewollte Zonenumwandlung beschleunigt. Der Forstschädling ist also auch nützlich, wie die Kinderaufklärungskampagne „Berti Borkenkäfer“ beschreibt.

Einem zunehmenden Problem auch in unseren Breiten widmen sich Carolin Göthert und Mona Hartmann: Waldbränden und den Strategien ihrer Bekämpfung. Neben der digitalen Rauch-Überwachung in Waldgebieten, der Aus- und Weiterbildung sowie dem Austausch zwischen den verschiedenen Brandbekämpfern müsse auch das Bewusstsein für Waldbrandgefahren in der Bevölkerung geschärft und der Wald naturnah umgebaut werden. Für den ein oder anderen Menschen ist der Wald selbstgewählter Wohnort – ein Privileg mit Vor- und Nachteilen. Warum und wie sie dort leben, hat Cosima Bellersen Quirini an drei Beispielen erkundet.

Dr. Julia Fleischhack rundet den Band mit Betrachtungen zum kulturwissenschaftlichen Konzept des Anthropozäns und seiner Anwendung in der Auseinandersetzung mit dem Wald ab. Die Beiträge werden begleitet von einer Fotoserie der Göttinger visuellen Anthropologin Sandra Eckardt; das Konzept für die Publikation entstand in enger Kooperation mit der Hamburger Grafikerin und Expertin für visuelle Gestaltung Sarah Cords.

Julia Fleischhack, Regina Bendix, Cosima Bellersen Quirini, Thea Glatzke, Carolin Göthert, Mona Hartmann und Jana Wegehöft: Waldakteur:innen. Ein kulturwissenschaftlicher Streifzug, 108 Seiten, Göttingen 2022, www.uni-goettingen.de/de/661565.html

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