Schwingende Aufzugkabine und vieles mehr

Physikalische Phänomene praktisch erforschen – Foto: Christoph Mischke

Experimentieren und mathematische Anwendungen gehören zu den grundlegenden Kompetenzen in der wissenschaftlichen Welt der Physik. Inhalte und Methoden lernen Bachelor- und Lehramts-Studierende ab dem ersten Semester in Vorlesungen, Übungen und Praktika. Das Team der Physikdidaktik der Universität Göttingen entwickelt Angebote, um ihnen den Einstieg in das Physikstudium zu erleichtern. Zwei Projekte sind nun gestartet.

Im ersten Fachsemester besuchen Studierende die beiden Pflichtvorlesungen „Experimentalphysik I (Mechanik)“ und „Rechenmethoden der Physik“. Beides sind eigenständige Lehrveranstaltungen, die sich gut ergänzen. Wie kann die Verzahnung beider Module verstärkt und den Studierenden deutlich gemacht werden? Dieser Frage möchte Prof. Dr. Pascal Klein im ersten Projekt mithilfe spezieller Aufgabenstellungen nachgehen.

Deshalb wird er mit seinem wissenschaftlichen Mitarbeiter Simon Lahme im Rahmen des Projekts „InnovationPlus“ in den kommenden Monaten Aufgaben mit Fragestellungen und Materialien im Alltagskontext entwickeln, die ein breites Spektrum der Inhalte aus den beiden Vorlesungen aufgreifen und verknüpfen. Im kommenden Wintersemester können dann die neuen Studierenden erstmals mit den Materialien lernen.

„Wenn Sie in einem Aufzug stehen und dort vorsichtig hochspringen, schwingt die Kabine spürbar nach. Mit welcher Frequenz sie schwingt, hängt davon ab, in welchem Stockwerk Sie sich befinden“, gibt Klein ein solches Beispiel aus dem Alltag. Und er erklärt sogleich, warum das so ist: „Der Fahrstuhl kann als Federpendel betrachtet werden; die Kabine ist die Masse und das elastische Kabel die Feder. Im Erdgeschoss ist das Kabel effektiv länger und somit elastischer als zum Beispiel im achten Stock.“

Mit einem Smartphone können die Studierenden die Schwingungen messen und so das Phänomen erforschen. Ihre selbst erhobenen Daten werten sie dann mit den erlernten mathematischen Methoden aus und sollen die Gesetzmäßigkeiten auch theoretisch herleiten. Als zukünftige Lehrkräfte können sie diese kleinen Forschungsprojekte später in ihrem Schulunterricht einsetzen.

Und es gibt noch ein weiteres Plus: „Am Semesterende präsentieren die Studierenden ihre Ergebnisse auf einem Poster. So sammeln sie schon früh im Studium erste Erfahrungen mit einer typischen Form wissenschaftlicher Kommunikation“, sagt Klein.

Vor dem Physik-Gebäude am Göttinger Nordcampus 2018 – Foto: Jan Vetter

Das zweite Projekt widmet sich didaktischen Ansätzen zur Vermittlung eines Lehrgebiets, das den Studierenden in den ersten Semestern erfahrungsgemäß Probleme bereitet: die Vektoranalysis in der Physik. Diese wird zum Beispiel zur Beschreibung von elektrischen oder magnetischen Feldern genutzt. Ziel des Projekts ist es, frei zugängliche und kostenfreie Lernvideos, Aufgaben, Simulationen und Tests zu entwickeln, die Dozierende in ihre Lehre integrieren und Studierende als „Open Educational Resources (OER)“ für individuelles Lernen nutzen können.

Eine Besonderheit ist dabei der Einsatz der Eye Tracking-Technologie. Damit werden Augen- und Blickbewegungen von Forschenden, die Richtung und Stärke von Kräften oder Geschwindigkeiten von Teilchen im Raum beobachten, rekonstruiert. Die Studierenden lernen von diesem „Expertenblick“ und schulen ihre visuelle Aufmerksamkeit, indem sie sehen, wie Expert*innen relevante Informationen fokussieren und irrelevante ignorieren. Das Projekt wird von der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Larissa Hahn geleitet und gemeinsam mit der Technischen Universität Clausthal sowie dem Simulationswissenschaftlichen Zentrum Clausthal-Göttingen durchgeführt.

In beiden Projekten steht die Entwicklung von Materialien für die Lehrveranstaltungen in den ersten Semestern des Physikstudiums im Vordergrund. Aber auch die Lern- und Motivationswirkung der didaktischen Ansätze soll gemessen und analysiert werden. Das Niedersächsische Wissenschaftsministerium fördert das erstgenannte Projekt zwei Jahre lang mit rund 50.000 Euro, das OER-Projekt für 18 Monate mit insgesamt rund 180.000 Euro.

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