Dr. Katrin Meyer von der Fakultät für Forstwissenschaften und Waldökologie der Universität Göttingen ist mit dem Ars legendi-Fakultätenpreis für exzellente Hochschullehre in der Kategorie Biowissenschaften 2021 ausgezeichnet worden. Bereits vor der Corona-Pandemie hatte sie ein attraktives Online-Lehrangebot entwickelt, das die theoretischen Grundlagen der Ökologie ganz bewusst in den Mittelpunkt stellt. Ihre interaktiven „Theorie-Erlebnisse“ vermitteln sowohl Methodenkompetenz als auch Fach- und Sozialkompetenzen. Wir haben nachgefragt.
Frau Meyer, was macht gute Lehre aus und was braucht es dafür?
Gute Lehre hat viele Gesichter. Dazu gehören laut den Feedbacks meiner Studierenden, die ja in diesem Fall die Expert*innen sind: Lebendigkeit und Abwechslung in den Methoden und Inhalten einschließlich gut gemachter Frontalvorträge; Interaktionen und Erlebnisse, die das Prinzip ausnutzen, dass unter Emotionen Gelerntes länger erinnert wird; vielfältige und klar strukturierte Materialien; Begeisterung fürs eigene Fach; Transparenz der Prüfungskriterien; frühzeitige und detaillierte Kommunikation; authentische Lernerfahrungen durch eigene Projekte und kompetente Hilfe bei Fragen.
Es braucht dafür aus meiner Sicht an erster Stelle ein offenes Ohr und Empathie für die Bedürfnisse der Studierenden. Was darüber hinaus nützlich sein kann: Interesse an der Weiterentwicklung der eigenen Lehre, ein bisschen Kreativität und vor allem Zeit. Die ist zum einen innerhalb der Veranstaltung notwendig, weil Interaktionen meistens mehr Zeit als ein reiner Frontalvortrag kosten und daher inhaltliche Prioritätensetzung erfordern. Zum anderen benötigt die Vor- und Nachbereitung Zeit, um neue Ideen in Ruhe zu entwickeln, zu testen, umzusetzen und wieder zu überarbeiten. Darüber hinaus kann ich den kollegialen und professionellen Austausch in Formaten der Hochschuldidaktik und des Teams Digitales Lernen und Lehren der Uni sehr empfehlen.
Theorie pauken ist unbeliebt, sie gilt als trocken und sperrig. Ihre Antwort: spielerisches Lernen. Zum Beispiel vermitteln Sie so eine Theorie aus der Biodiversitätsforschung, mit der die Immigration neuer Arten und das Aussterben von Arten auf Inseln je nach deren Lage und Größe vorhergesagt wird. Wie können wir uns dieses „Insel-Spiel“ der Studierenden konkret vorstellen?
Ich wende da das „flipped classroom“-Prinzip an: Die Studierenden erarbeiten sich die Lehrbuchinhalte zur Inselbiogeographietheorie anhand von vielfältigen Materialien zu Hause und spielen sie dann beim Live-Termin in Gruppen von drei bis vier Personen online nach. Dazu teilt sich eine Gruppe ein virtuelles Whiteboard, auf der bereits ein Küstenverlauf eingezeichnet ist. Alle Gruppenmitglieder ziehen dann gleichzeitig auf Zeit mit der Computermaus so viele Linien vom Festland in Richtung Meer wie möglich. Die Linien kann man sich zum Beispiel als Spuren von Pflanzensamen vorstellen, die im Wind zufällig verdriftet werden und im Meer oder auf einer Insel landen. Die Farbe der Linie entspricht der Art des Samens. Trifft eine Linie auf eine eingezeichnete Insel und gibt es auf der Insel noch keine Linie dieser Farbe, entspricht dies der Einwanderung einer neuen Art auf dieser Insel.
Das wird über mehrere Zeitschritte und mit großen und kleinen und nahen und fernen Inseln gespielt. Nach jedem Zeitschritt werden Immigrationen und Aussterben von Arten auf den Inseln dokumentiert. Die Ergebnisse werden graphisch dargestellt, mit den Lehrbuch-Vorhersagen verglichen und im Plenum diskutiert. Im nächsten Schritt erarbeiten sich die Studierenden zu Hause eine weitere Theorie und passen dann in Gruppenarbeit die Spielregeln des „Inselspiels“ für die neue Theorie an. Die neuen Regeln werden dann schließlich zwischen den Gruppen ausgetauscht, gespielt und kritisch diskutiert.
In Ihrer Lehre setzen Sie auch auf sogenannte Meta-Teams. Was verbirgt sich hinter diesem Konzept?
Die Meta-Teams nutzen wir in einem Seminar zum wissenschaftlichen Schreiben, um den sehr unterschiedlichen Vorkenntnissen der Teilnehmer*innen gerecht zu werden. Dazu setzen wir jede Woche zwei Zweier-Teams neu zu einem Meta-Team zusammen. Die vier Mitglieder eines Meta-Teams geben einander Feedback zur aktuellen Schreibaufgabe (Peer-Review-Verfahren).
Das lässt sich gut mit dem studIP-Tool cloCked realisieren. Jede Schreibaufgabe befasst sich mit einem anderen Teil des Manuskriptes, das die Teilnehmer*innen im Laufe des Seminars auf der Grundlage eigener Forschungsergebnisse schreiben möchten. Da die Zweier-Teams sich nicht verändern, profitiert jedes Zweier-Team von der gegenseitigen Vertrautheit mit den Manuskriptthemen. Da die Meta-Teams aber jede Woche wechseln, erhalten alle jede Woche auch Feedback von neuen Personen mit anderen Schreiberfahrungen und Vorkenntnissen. Dadurch ist das Meta-Team-Konzept ein Baustein zur Berücksichtigung der Vielfalt der Studierenden.