Am 4. Juni 2021 jährt sich zum 40. Mal das größte bisher am Pegel Göttingen gemessene Leine-Hochwasser.
Starke Niederschläge am 3. Juni 1981 führten an vielen Pegeln im Einzugsgebiet von Werra und Leine zu Überschwemmungen. Ein Niederschlagsgebiet zog sich vom Nordosten bis zum Südwesten des damals noch geteilten Deutschlands und brachte vor allem im Mittelgebirgsraum hohe Niederschlagssummen von mehr als 40 Millimetern. An der damals noch existierenden Niederschlagsstation in Roringen wurden innerhalb eines Tages 83,4 Millimeter Niederschlag gemessen, an der Station Göttingen 70,2 Millimeter. Diese Werte entsprechen mehr als einem mittleren Monatsniederschlag im Juni.
In Arenshausen, Göttingen und Greene wird der 4. Juni 1981 noch heute in der Liste der größten gemessenen Hochwasserereignisse der Leine geführt, ebenso in Hattorf an der Sieber und in Berka an der Rhume. Am Pegel Göttingen wurde ein Abfluss von 287 Kubikmetern pro Sekunde gemessen. Pro Sekunde strömten Wassermassen eines Volumens von etwa 1.600 Badewannen durch das Flussbett der Leine!
Die Stadt Göttingen investierte in der Folge Millionen D-Mark und Euro, um den Hochwasserschutz zu verbessern. Im Zuge der globalen Erwärmung ist auch die Wahrscheinlichkeit für das Eintreffen von Extremereignissen bei Niederschlag und Abfluss gestiegen. Vor diesem Hintergrund sind die Hochwasserschutzmaßnahmen als eine sinnvolle Adaption an den Klimawandel und eine Investition in die Zukunft anzusehen.
Am Geographischen Institut der Universität Göttingen spielen Hochwasserereignisse in Lehre und Forschung eine wichtige Rolle. Seit 2018 führt eine jährlich stattfindende Exkursion Studierende der Geographie entlang der Leine und erinnert an das Hochwasser aus dem Juni 1981 sowie die daraus entstandenen Hochwasserschutzmaßnahmen. Zurzeit werden in einer Bachelor-Abschlussarbeit die räumlichen Dimensionen der Starkniederschläge und der extremen Abflüsse dieses Ereignisses untersucht.
Bereits 2018 wurden in einer Abschlussarbeit Hochwassermarken an der Leine kartiert. Das Hochwasser vom 4. Juni 1981 ist in der Region nur durch wenige Zeugnisse belegt, beispielsweise durch drei Hochwassermarken in Friedland und einen Gedenkstein in Bovenden. In der Stadt Göttingen existieren lediglich zwei Hochwassermarken, die an das Ereignis vom 4. Februar 1909 erinnern.
Durch den guten Hochwasserschutz wurde die Stadt Göttingen in den vergangenen vier Jahrzehnten von Extremhochwassern weitgehend verschont, sodass das nunmehr 40 Jahre zurückliegende Ereignis langsam aus dem kollektiven Gedächtnis verschwindet. Um die Erinnerung an Extremereignisse am Leben zu erhalten, haben sich Hochwassermarken als Zeugen der hydrologischen Vergangenheit etabliert. In der geografischen Erinnerungsforschung spielt die Verortung von Kleindenkmalen, zu denen auch Hochwassermarken und -gedenksteine zählen, eine wichtige Rolle.
Aus Sicht von Dr. Tobias Reeh und Dr. Steffen Möller vom Geographischen Institut der Universität Göttingen könnte eine Hochwassermarke oder ein Gedenkstein in Göttingen die Erinnerung an das Ereignis vom 4. Juni 1981 bewahren, die Notwendigkeit der kostenintensiven Hochwasserschutzmaßnahmen erklären und auf eine potenzielle Gefährdung durch Extremhochwasser aufmerksam machen. So müssen die Deiche auch in den kommenden Jahrzehnten auf ihre Stabilität untersucht werden, um ihre Schutzfunktion nicht zu mindern.