Ein Blick auf Straßennamen lädt zu einem Streifzug durch die Wissenschaftsgeschichte ein. Auch in Göttingen gibt es dabei viele kluge Köpfe zu entdecken, die an der Universität geforscht und gelehrt haben. Auf den ersten Blick kurios erscheint es, wenn Forschungseinrichtungen nur einen Steinwurf voneinander entfernt liegen, aber unterschiedliche Adressen haben.
So zum Beispiel auf dem Nordcampus: Die Fakultät für Chemie liegt an der Tammannstraße, die Fakultät für Physik gleich gegenüber am Friedrich-Hund-Platz. Das hat nicht nur mit den Fachgebieten zu tun, sondern auch mit der Entwicklungsgeschichte des heutigen naturwissenschaftlichen Campus.
Ab Mitte der 1960er-Jahre entstand das Nordgebiet der Universität, so die damalige Bezeichnung. Gebaut wurde für die Forst- und die Agrarwissenschaften, die Biologie und bis 1974 für die Chemischen Institute, die vom Windausweg in den Norden der Stadt umzogen.
Die neu angelegte Straße wurde 1971 nach Gustav Tammann (1861 bis 1938) benannt. Dieser wurde 1903 als Professor auf den neuen Lehrstuhl für anorganische Chemie an die Universität Göttingen berufen, wechselte 1907 auf den Lehrstuhl für physikalische Chemie – als Nachfolger des späteren Nobelpreisträgers Walther Nernst. Tammann gilt als Begründer der wissenschaftlichen Metallkunde in Deutschland. Er war einer der ersten, der den Einfluss des Druckes auf Eigenschaften der Materie untersuchte.
In den folgenden Jahren kamen im Nordgebiet die Geowissenschaften und weitere Forschungseinrichtungen hinzu. Es dauerte aber noch Jahrzehnte, bis auf der Brache gegenüber der Chemie ein Neubau entstand – für die Physikalischen Institute, die im Stadtzentrum an verschiedenen Standorten zu finden waren. Der Physik-Neubau am Nordcampus, inzwischen hatte sich diese Bezeichnung etabliert, wurde von Oktober 2000 an in zwei Schritten errichtet und 2005 offiziell eingeweiht.
Damit einher ging auch eine Umgestaltung des Platzes vor dem Haupteingang – und seine Benennung nach dem Theoretischen Physiker Friedrich Hund (1896 bis 1997). Dieser wurde 1922 in Göttingen bei Max Born promoviert, dessen Assistent er anschließend bis 1927 war. In dieser Zeit arbeitete Hund unter anderem auch mit Werner Heisenberg in Göttingen und Niels Bohr in Kopenhagen zusammen. Dann verließ er Göttingen und kehrte schließlich 1957 auf eine Professur für Theoretische Physik zurück. Auch nach seiner Emeritierung 1964 blieb er noch lange wissenschaftlich und in der Lehre aktiv – Vorlesungen an der Universität Göttingen hielt er bis 1990.
Auch wenn Universität und Stadt Göttingen mit der Benennung des Platzes nach Friedrich Hund diesem alle Ehre erweisen, war Hund schon viel früher im Sprachgebrauch verewigt. Denn am alten Standort der Physik an der Bunsenstraße entstanden in den 1960er-Jahren zweckmäßig gehaltene Anbauten für Hunds Institut für Theoretische Physik – im Alltag bekannt als „Hunde-Hütten“.