Forschen schon im Bachelorstudium? An der Universität Göttingen kein Problem. Im Programm „Forschungsorientiertes Lehren und Lernen“ (FoLL) können Studierende in kleinen Teams ihre eigenen Fragestellungen bearbeiten – vom Projektantrag bis zur Präsentation. Jeweils ein bis zwei Lehrende begleiten ein Team. Die Hochschuldidaktik flankiert das Programm mit Workshops und Austauschtreffen. Im Mittelpunkt steht dabei ‚der Blick über den Tellerrand‘: Die Teilnehmenden lernen fachfremde Forschung kennen und üben sich darin, ihre eigenen Projekte verständlich zu erklären. Zum Abschluss der Projekte präsentieren die Jungforscher*innen ihre Ergebnisse mit Poster und Vortrag auf einer hochschulöffentlichen Veranstaltung. Wer jetzt Lust auf erste Forschungserfahrungen hat, kann sich noch bis zum 14. März 2021 für das FoLL Programm im Sommersemester 2021 bewerben.
Aber funktioniert das überhaupt in Coronazeiten zum Beispiel mit Feldforschung, qualitativen Interviews oder Laborarbeiten? Die ersten Erfahrungen aus den beiden vergangenen Semestern liegen jetzt vor. „Viele Teilnehmer*innen haben sehr kreative Lösungen gefunden“, erzählt Susanne Wimmelmann von der Göttinger Hochschuldidaktik, die das Programm koordiniert. So wollte ein Team aus der Physik ursprünglich nach Teneriffa fahren, um das dortige Observatorium für Berechnungen der gravitativen Rotverschiebung des Sonnenlichts zu nutzen. Reisen nach Spanien waren aber zu gefährlich. Plan B sah Beobachtungen am Observatorium in Freiburg vor.
Als auch dieser Plan wegen Corona nicht mehr klappte, bauten die fünf Physik-Studenten selbst einen Spektrographen. Dazu entwarfen sie erst ein Modell am Computer im Homeoffice und erstellten das Gerät dann in einem Uni-Labor unter sorgfältiger Beachtung der Abstandsregeln und mit höchstens zwei Teammitgliedern zur gleichen Zeit. Die Freude war groß, das eigene Produkt tatsächlich an das Teleskop in der Astrophysik anschließen zu können. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen: Für ihre Präsentation auf der bundesweiten „Konferenz für studentische Forschung“ haben die Nachwuchs-Astronomen im Herbst sogar einen Preis erhalten.
„Not macht erfinderisch“, so Wimmelmann. „Wir haben bisher noch für jedes Team einen Weg gefunden.“ Interviews und Teamsitzungen lassen sich online organisieren – inzwischen sind alle Studierenden mit den Möglichkeiten und Tücken von BigBlueButton, Zoom-Konferenzen und Gruppenchats vertraut. Von den digitalen Wegen profitierte insbesondere ein interdisziplinäres Team, das Gewalt und Kriminalität in der Pflege untersucht hat. Die ersten Treffen und Interviews fanden in Präsenz statt, dann wurde alles in den virtuellen Raum verlegt – mit Erfolg. „Trotz vieler Hindernisse musste die eigentliche Forschung nur wenig unter Corona leiden und war im Großen und Ganzen trotzdem durchführbar“, resümiert die Studentin Susanne Buchholz, die an diesem Team beteiligt war.
Wimmelmann ist besonders stolz auf vier digitale Online-Präsentationen, in denen sie rund 100 Besucher*innen erreichen konnte, unter ihnen Studierende, Lehrende und Mitarbeiter*innen anderer Universitäten. So waren die Göttinger Projekte bundesweit sichtbar. Wimmelmann hat die Veranstaltung zusammen mit Studierenden moderiert, die zum Teil selbst bei FoLL mitgemacht haben. „Dadurch ist das Format noch viel interaktiver geworden, was ich gerne beibehalten möchte.“
Ihr Fazit: „Auch unter Corona-Bedingungen ist es möglich, FoLL-Projekte erfolgreich durchzuführen. Aus dem Umgang mit Herausforderungen ergeben sich oft ganz neue kreative Ansätze – ganz im Sinne des didaktischen Konzepts des Forschenden Lernens.“ Informationen zum Programm und das Antragsformular sind im Internet unter www.uni-goettingen.de/forschendeslernen zu finden. Wer Fragen hat, ist herzlich eingeladen, Wimmelmann direkt per E-Mail susanne.wimmelmann@zvw.uni-goettingen.de oder per Telefon 0551 / 39 – 5981 zu kontaktieren.