Die Biophysikerin Sarah Köster im Portrait

Klein und Neumann, Iserlohn

Prof. Dr. Sarah Köster ist Professorin am Institut für Röntgenphysik der Universität Göttingen. Die folgenden drei Fragen sind ein Auszug aus einem Interview mit ihr, das für den kürzlich erschienen Jahresbericht 2019 der Universität Göttingen geführt wurde. Ein gedrucktes Exemplar des Berichts können Sie über die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit der Universität erhalten.

Sie forschen auf dem Gebiet der Physik biologischer Zellen und der Biopolymere. Wie erklären Sie dem Laien, worum es in Ihrer Forschung geht und in welchen Bereichen sie Anwendung findet?

Ein Blick auf unseren eigenen Körper zeigt sofort, dass biologische Zellen nicht nur biochemischen und biologischen Prozessen ausgesetzt sind, sondern auch bestimmte physikalische Eigenschaften besitzen. So kontrahieren unsere Muskelzellen, allen voran die des Herzens, immer und immer wieder. Rote Blutkörperchen transportieren Sauerstoff bis in engste Kapillaren in den Fingerspitzen und müssen sich dabei stark verformen. Haut schützt vor äußeren Kräften und ist dabei extrem dehnbar und reißfest, und Immunzellen bewegen sich durch den Körper hin zum Infektionsgeschehen. Diese sehr unterschiedlichen mechanischen Eigenschaften erhalten die Zellen durch ein „Skelett“ aus Biopolymeren. Aus wenigen unterschiedlichen Zutaten, im Wesentlichen drei verschiedenen Biopolymeren und einer Anzahl Proteinen, welche diese direkt verknüpfen oder gegeneinander bewegen, kann die Zelle einer Vielzahl mechanisch sehr unterschiedlicher Ansprüche genügen. Als Physiker*innen beherrschen wir Methoden, um diese Biopolymere und ihre Netzwerke genau zu untersuchen: Wir können die Längenskalen (Nanometer bis Mikrometer – zum Vergleich: ein menschliches Haar ist etwa 50 Mikrometer dick) mit Mikroskopie oder Röntgenmethoden sichtbar machen, die entstehenden Kräfte messen (Piconewton, also 1.000.000.000.000 mal kleiner als die Gewichtskraft einer 100g-Tafel Schokolade) und dabei die nötige Zeitauflösung erreichen.

2019 wurden Sie mit der Emmy Noether Distinction for Women in Physics der Europäischen Physikalischen Gesellschaft (EPS) ausgezeichnet. In der Auswahlbegründung hob die EPS neben Ihren bahnbrechenden Beiträgen zur Physik biologischer Zellen auch Ihre eindrucksvollen Fähigkeiten in der Lehre und der Rekrutierung von Wissenschaftlerinnen hervor. Was würden Sie jungen Frauen raten, die sich für ein Physikstudium interessieren?

Für ein Physikstudium benötigt man aus meiner Sicht eine Begabung für und das Interesse an – natürlich – Physik, ebenso an Mathematik und gute Englischkenntnisse. Der Sprung im Niveau und in der Arbeitsbelastung von der Schule an die Universität ist tatsächlich beachtlich, sodass auch gute Schüler*innen meist sehr viel Zeit investieren müssen. Die von den Universitäten angebotenen Vorkurse, die das Mathematikwissen auffrischen und ergänzen, sollte man auf jeden Fall in Anspruch nehmen, nebenbei lernt man dort bereits die neuen Kommiliton*innen kennen. Denn eine weitere wichtige Komponente ist eine Lerngruppe, also eine kleine Gruppe von anderen Studierenden, mit denen man effektiv zusammenarbeiten kann. Das Physikstudium ist sehr sozial, in dem Sinne, dass man gemeinsam sehr viel besser vorankommt als allein. Genau darauf richten wir Lehrenden tatsächlich auch viele Aufgaben aus.

Das vollständige Interview und weitere Portraits Göttinger Wissenschaftler*innen finden sich im Jahresbericht 2019 der Universität Göttingen

Was schätzen Sie am Göttingen Campus? Wo sehen Sie Entwicklungsmöglichkeiten?

Für mich als Biophysikerin – mit einem Bein also in den Naturwissenschaften, mit dem anderen in den Lebenswissenschaften verankert – ist der Göttingen Campus ein Glücksfall. Sowohl an der Universität selbst als auch bei den Partnern am Campus, also zum Beispiel den Max-Planck-Instituten, dem Institut für Nanophotonik Göttingen e.V. oder der Universitätsmedizin Göttingen, finden wir zahlreiche Kooperationspartner für unsere Projekte und für jedes „Problem“ eine Lösung. Den Willen zur Zusammenarbeit empfinde ich als sehr ausgeprägt. Dadurch haben wir die Möglichkeit, Geräte zu nutzen und Methoden anzuwenden, die wir in unseren eigenen Labors nicht vorfinden. Zudem bekommen die Studierenden und Promovierenden früh Einblicke in andere Forschungsfelder und werden breit ausgebildet. Angesichts der finanziellen Situation müssen wir in Göttingen und in Niedersachsen aus meiner Sicht für die Zukunft strategisch sinnvoll planen und uns bei Neuberufungen so aufstellen, dass wir weiterhin erfolgreich Drittmittel, insbesondere Sonderforschungsbereiche und Graduiertenkollegs, einwerben können. Ich selbst bin außerdem eine große Verfechterin einer echten Tenure-Track-Laufbahn – weil ich selbst sehr davon profitiert habe und weil ich überzeugt bin, dass es für beide Seiten, Juniorprofessor*in und aufnehmende Fakultät, gewinnbringend ist, mit einer realistischen Perspektive die Zukunft planen zu können.

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