Umfangreiche Testkapazitäten zu schaffen lautete das Ziel des Diagnostik-Netzwerks am Göttingen Campus. Prof. Dr. Uwe Groß, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie der Universitätsmedizin Göttingen, mit einer ersten Bilanz nach einem knappen Vierteljahr.
Unter Hochdruck haben sich mehrere Partner am Göttingen Campus im März zum gemeinsamen Diagnostik-Netzwerk „CoV2-DiaNetGö“ zusammengetan. Wie hat sich das Netzwerk aus Ihrer Sicht in den vergangenen drei Monaten entwickelt?
Das Netzwerk aus Laboren an der Universitätsmedizin, der Universität, den Max-Planck-Instituten und dem Deutschen Primatenzentraum hat sich stabil etabliert, steht im regelmäßigen Austausch und damit auch zukünftig prinzipiell zur Verfügung. Nach der Etablierungsphase haben wir zunächst Ringversuche zur Qualitätssicherung durchgeführt. Da es bisher glücklicherweise weniger Infizierte gab als ursprünglich erwartet und der befürchtete Ansturm von Untersuchungen nicht einsetzte, finden fast alle Tests in der Medizinischen Mikrobiologie und im UMG-Labor statt. Bei Massenuntersuchungen greifen wir aber auch jetzt auf Mitglieder des Netzwerks zurück und ziehen zum Beispiel das MPI für Experimentelle Medizin weiterhin wöchentlich in Tests ein.
Anfang April waren Sie in der Lage, mehr als 1500 Menschen pro Tag auf SARS-CoV2 zu testen, Ihr Ziel lag damals bei rund 3000. Wie sehen die Testzahlen heute aus?
Wir können heute theoretisch im Notfall das damals angestrebte Ziel erreichen. In der Realität werden aber nur selten mehr als 1.500 Tests pro Tag benötigt, so dass wir aktuell auf der sicheren Seite sind. Dabei ist auch immer zu bedenken, dass das Testen im Labor nur die eine Seite der Medaille darstellt. Auf der anderen Seite benötigen wir auch Ärzte und Medizinstudierende, um an den Testpersonen die notwendigen Abstriche vornehmen zu können. Es braucht aber auch die hilfreichen Mitarbeiter*innen vom Gesundheitsamt, um – wie jetzt beim Göttinger Ausbruch – Kontaktpersonen zu identifizieren und dann Infektionsketten zu unterbrechen. Hinter dem Schlagwort „Testen“ steckt also eine komplexe Gemengelage, die logistisch eine Herausforderung darstellt, so dass zu guter Letzt das Zusammenspiel aller Beteiligten einschließlich einer gut funktionierenden IT zum Ziel führt. Glücklicherweise funktioniert das Zusammenspiel zwischen Stadt und Universitätsmedizin reibungslos, um nicht zu sagen exzellent.
Eine campusweite Initiative hatte sich von Beginn an der Entwicklung von industrieunabhängigen Tests gewidmet. Wie weit sind wir auf diesem Gebiet gekommen?
Diese Initiative war wirklich bemerkenswert und hat in kurzer Zeit in der Tat eine Möglichkeit geschaffen, unabhängiger von der Industrie zu werden. In der Zwischenzeit haben sich die Lieferprobleme mit Testkits und Zubehörartikeln merklich entspannt, so dass wir zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf die kommerziellen Testsysteme zurückgreifen können, was angesichts gesetzlicher Vorgaben beispielsweise zu CE-Kennzeichnungen und Qualitätsmanagement zielführend ist. Um in Zukunft schneller Testergebnisse zu erhalten, werden aktuell in Kooperation zwischen MPI und UMG innovative Testsysteme entwickelt, deren erste Prototypen hoffentlich demnächst zur Verfügung stehen.
Insgesamt hat das plötzliche Ereignis einer bedrohlichen Pandemie den Göttingen Campus enger zusammenrücken lassen und gezeigt, dass dadurch schnelle Lösungsansätze für viele Probleme geschaffen werden können. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Geist des Mit- und Füreinander auch nach Abschwächung der Pandemie erhalten bleibt.