Risikofreude und Geduldsfaden – wer beachtet die Corona-Regeln?

Foto: Alexas/Pixabay

Prof. Dr. Holger A. Rau ist Juniorprofessor für Experimentelle Wirtschaftsforschung an der Universität Göttingen. Gemeinsam mit seinem Kollegen Dr. Stephan Müller hat er untersucht, wie regelkonform sich bestimmte Bevölkerungsgruppen während der Corona-Krise verhalten. Die Ergebnisse sind als Diskussionspapier erschienen: http://wwwuser.gwdg.de/~cege/Diskussionspapiere/DP391.pdf

Sie haben in Ihrer aktuellen Studie untersucht, wie sich bestimmte Einstellungen darauf auswirken, ob politische Verordnungen während der Corona-Pandemie eingehalten werden. Was haben Sie herausgefunden?

Es zeigt sich, dass risikofreudige Bürger*innen seltener zu Hause bleiben und weniger stark dazu neigen, größere Menschenansammlungen zu meiden. Zudem fällt es geduldigeren Personen leichter, zu Hause zu bleiben und keine Menschen zu treffen. Personen, die Probleme damit haben, den sofortigen Konsum auf die Zukunft zu verschieben, neigen zu Hamsterkäufen. Dieses Verhalten lässt sich dadurch erklären, dass das Anlegen von Vorräten sogenannten zeitinkonsistenten Personen ermöglicht, jederzeit ihren Konsumdurst zu Hause zu stillen. Andere Studien im Gesundheitsbereich haben gezeigt, dass risikofreudigere Personen weniger bereit sind, medizinischen Behandlungen zuzustimmen, wohingegen geduldige Personen sich eher an Gesundheitsratschläge halten. Die erhöhte Bereitschaft, sich Gesundheitsrisiken auszusetzen, finden wir für risikofreudige Personen auch in unserem Datensatz, da sie weniger stark das Zusammentreffen von größeren Menschenansammlungen meiden.

Wie war Ihre Studie angelegt, um das zu erforschen?

Wir haben in einem Internet-Experiment 198 Teilnehmer*innen zu ihrem Verhalten und ihrer Wahrnehmung in der Corona-Krise befragt. Die Regelkonformität der Personen wurde dabei mit Fragepaketen abgefragt, die sich auf Politikempfehlungen und Verordnungen in der Corona-Krise beziehen. Dabei haben wir Regelkonformität in vier wichtigen Dimensionen abgefragt. Hierzu wurde im „Social-Distancing“-Kontext gefragt, ob die Testpersonen seit der Corona-Krise häufiger zu Hause bleiben und häufiger größere Menschenansammlungen meiden. Weiterhin beantworteten sie die Frage, ob sie im Zuge der Corona-Krise nun vermehrt haltbare Lebensmittel kaufen und ob sie einen Corona-Test machen würden, wenn sie entsprechende Symptome hätten. Die Risikoneigung der Teilnehmer, ihre Geduld und ihr allgemeines Vertrauen in Dritte wurden mit in den Wirtschaftswissenschaften etablierten Fragen gemessen. Testpersonen waren Studierende aus verschiedenen Fachrichtungen.

Inwiefern bieten Ihre Ergebnisse Lösungsansätze für die Praxis?

Sie können Hinweise geben, um den Erfolg von Politikmaßnahmen in Krisenzeiten zu beeinflussen. Das Ergebnis, dass Geduld zu erhöhter Regelkonformität führt, deutet darauf hin, dass Maßnahmen, die dieses Verhalten in frühen Jahren, zum Beispiel in Schulen, fördern, langfristig positive Effekte haben könnten. Weiterhin liefert unsere Studie wichtige Ideen für das kurzfristige Krisenmanagement. Unsere Ergebnisse können auch zusammen mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zur geografischen Verteilung von bestimmten Einstellungen, oder deren Verteilung über Berufsgruppen, analysiert werden. Dann können zum Beispiel Zielregionen für knappe medizinische Ressourcen identifiziert werden oder Verantwortliche können Informationskampagnen für bestimmte Zielgruppen maßschneidern.

Dr. Stephan Müller (links) und Prof. Dr. Holger Rau – Fotos: Gesche Quent
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